DIN 18065
DIN 18065, Gebäudetreppen – Begriffe, Messregeln, Hauptmaße
Die DIN 18065 ist die wichtigste Regel für die Maße von Treppen im deutschen Wohnungsbau und enthält alle Mindest- bzw. Höchstmaße für Treppen, mit Ausnahme von statisch bedingten Materialdimensionen. Die DIN 18065 ist in der neuesten erweiterten Fassung 2011, nach zwei vorangegangen grundlegenden Erweiterungen 1984 und 2000, zu einer von den Landesbauordnungen anerkannten Norm für Treppenmaße im Wohnungsbau geworden, und ist so abgefasst, dass sie „… in die Musterliste der Technischen Baubestimmungen aufgenommen werden und in jedem Land als Technische Baubestimmung bauaufsichtlich eingeführt werden kann…diese Norm stellt sicher, dass die grundsätzlichen, dieTreppen betreffenden Anforderungen (der Gesetzgeber) in den Bauordnungen hinsichtlich der sicheren Begehbarkeit der Treppen im Regelfall der alltäglichen Nutzung ebenso wie der sicheren Benutzung…im Brandfall erfüllt werden…“ Die DIN 18065 gilt daher als öffentlich-rechtliche Festlegung, nachdem auch ihre neueste Fassung inzwischen in die Musterliste der technischen Baubestimmungen (Gruppe 7 Planungsgrundlagen) aufgenommen wurde, bzw. soweit die Länder in ihren Bauordnung nichts anderes festgelegt haben.
In den Bauordnungen sind daher für Treppen in Wohnhäusern keine detaillierten Maße mehr geregelt, sondern es werden (siehe Musterbauordnung § 33 Rettungswege und § 34 Treppen) nur mehr allgemeine Sicherheitsregeln festgelegt. Jedoch weiterhin vermisst man in der DIN 18065 die Maße für Sonderbauten wie Geschäfts- und Krankenhäuser, Versammlungs- und Gaststätten, Garagen, Schulen, Kindergärten und –Krippen sowie Hochhäuser und für barrierefreie Bauten. Dafür haben die Landesbauordnungen (siehe MBO §§ 50 und 51) weitere Regelungen, ferner bestehen Sondervorschriften in den Arbeitsstättenverordnungen und Regelungen der Gesetzlichen Unfallversicherung und der Berufsgenossenschaften. Auszugsweise und zusammengefasst wichtige Inhalte der neuen DIN 18065; Details siehe bei den jeweiligen Begriffen:
- Die Maße und Vorgaben behandeln den Regelfall der alltäglichen Benutzung; auf weitere Anforderungen für Kinder, behinderte oder ältere Personen oder Kinderschutztüren für Kleinkinder wird ausdrücklich hingewiesen
- Die zu unterscheidenden Vorgaben und Treppenmaße für „Gebäude im Allgemeinen“ und „Wohngebäude mit bis zu zwei Wohnungen“ werden durch zweispaltige Tabellen übersichtlich dargestellt. Ansonsten wird nur noch zwischen baurechrechtlich notwendigen und baurechtlich nicht notwendigen (zusätzlichen) Treppen unterschieden
- Die Steigung und der Auftritt werden innerhalb eines weiten Rahmens als Grenzmaße festgelegt, diese können innerhalb dieses Spielraumes jedoch nicht mehr beliebig gekoppelt werden, sondern nur im Rahmen der Schrittmaßregel mit 2 Steigungen und 1 Auftritt = 590 bis 650 mm (früher war das nur eine Empfehlung)
- Die gesamte Struktur der Anforderungen wurde neu und übersichtlich geordnet; bestimmte Zuordnungen sind nicht unproblematisch, weil sie ein sehr genaues Studium der komplexen Materie erfordern, um diese Anforderung nicht zu übersehen: Zum Beispiel die Grenzmaße für die häufigen Wohnungstreppen sind (wie schon früher) nur mit Unterschneidung zulässig, oder mit entsprechendem Zuschlag; das findet man jedoch in der neuen DIN nicht mehr unmittelbar bei den Steigungs- und Auftritt-Maßen, sondern an ganz anderer Stelle unter „Unterschneidung“. Mindestens ein Querverweis wäre hilfreich.
- Für die nutzbare Laufbreite sind nur Mindestmaße festgelegt, mit Verweis auf die Bauordnung (die dazu zitierte MBO § 34/5 sagt jedoch nur, dass die Laufbreite für den „größten zu erwartenden Verkehr ausreichen muss“).
- Für sicherheitsrelevante Ausführungsdetails und Messregeln wurden zusätzliche und wichtige Festlegungen getroffen. Beispielsweise für die Messregeln bei Stufenvorderkanten und zur Podestlänge, die Messregel zur Anzahl gewendelter Stufen, und die Angaben zu Handlaufunterbrechungen.
- Viele der Maßvorgaben sind mit bestehenden Regelungen abgestimmt worden, z. B. früheren Landesbauordnungen, und der Arbeitsstättenverordnung.
Details zu den Maßen sind hier im Lexikon auszugsweise unter den jeweiligen Stichworten zu finden:
- Geländer
- Treppenmaße
- Grenzmaße
- Toleranzen
- Laufbreite
- Steigungsverhältnis
- Durchgangshöhe
- Seitenabstand
- Wendelstufen
- kindergerechte Treppen
- altengerechte Treppen
- Arbeitsstättenverordnung
- DIN 18065 bei Treppenmeister
Es würde zu weit führen, diese hier noch einmal zu wiederholen, außerdem ist eine präzise Anwendung der umfangreichen Norm ohne deren Zuhilfenahme nicht möglich, aufgrund weiterer von uns auch in den Stichworten nicht zitierten Detailvorgaben. Im Übrigen bitten wir Sie um Verständnis für die nur übersichtsweise Wiedergabe dieser wichtigen DIN, denn wie bei allen Normen steht deren Veröffentlichung zur Finanzierung der gemeinnützigen Normungsarbeit unter besonderem Schutz. Unabhängig von den Festlegungen der Norm muss darauf hingewiesen werden, dass deren Anwendung immer unter der Bedingung der allgemeinen Anforderung aus allen Landesbauordnungen gesehen werden muss, vor allem im Hinblick auf die großen Spielräume bei den Grenzmaßen. In der MBO § 3 heißt es beispielsweise „Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit… insbesondere Leben, Gesundheit…nicht gefährdet werden.“
Kommentar: DIN 18065 Gebäudetreppen – Ein großer Wurf, aber auch ein großer Anspruch
Dass die an der Weiterentwicklung der DIN 18065 beteiligten Experten wenig getan hätten, kann man nun wahrlich nicht behaupten. In angemessenen Zeitabständen die inzwischen fünfte grundlegende Neufassung einer technischen Regel - sie hat allen Beteiligten, sowohl den früheren Mitarbeitern als auch insbesondere dem zuletzt tätigen Expertengremium, vermutlich einen anspruchsvollen Umfang an Zeit und Aufgaben beschert. Die obige knappe Auflistung wichtiger Neuerungen lässt nur für Eingeweihte erahnen, welcher tatsächliche Aufwand an Recherchen und Diskussionen für die jeweils beste Detailregelung entstanden sein muss. Dass die aktuelle Neufassung nur ein gutes Jahrzehnt nach der vorausgehenden Ausgabe folgte, dass die oberste Bauaufsichtsbehörde die DIN 18065 zügig in die Liste der technischen Baubestimmungen aufgenommen hat, und dass eine breite und von der Rechtssprechung noch niemals bestrittene Bewertung als allgemein anerkannte Regel der Technik festgestellt werden darf, stellt dem Engagement und der Vorgehensweise aller, einschließlich dem Normeninstitut, das beste Zeugnis aus. Vielleicht auch eine kleine Anerkennung für Vieles, was sich niemals in Stunden messen lässt, sondern nur in öffentlicher Akzeptanz.
Bleiben neben den vielen positiven Neuerungen denn da noch Fragen offen? Die Antwort möchte auf Themen aufmerksam machen, die von Anwendern dieser Norm beachtet werden sollten: Natürlich bleiben Fragen offen, denn der Anspruch, den sich die Norm selbst gestellt hat, ist sehr hoch - ihre erste Aussage zum Anwendungsbereich lautet nämlich „Diese Norm gilt für Treppen im Bauwesen. Ausgenommen sind einschiebbare Treppen, Rolltreppen…sowie Freitreppen im Gelände“, und etwas weiter heißt es „während die Begriffe und Messregeln allgemein für das Bauwesen gelten, beziehen sich die Festlegungen für Hauptmaße und Toleranzen nur auf Treppen in und an Gebäuden, sofern nicht Sondervorschriften bestehen, die…abweichende Festlegungen…enthalten“. Die Norm sagt also eingangs, dass sie Treppenmaße für das Bauwesen regelt, dem schon früher festgelegten Anwendungsbereich. Gerade deshalb könnte sie einen Bautechniker etwas irritieren:
Denn man muss weiterhin in rund 10 Vorschriften für Sonderbauweisen nachsehen, um für deren Treppen eine Regelung zu finden. (Und das in 16 Ländern.) Darauf weist die DIN 18065 in ihrem Vorwort zwar hin. Gewiss haben Treppen und Umwehrungen auf Sporttribünen besondere Anforderungen; sind jedoch die Maße von Innentreppen in diversen anderen Nichtwohnbauten oder in Hochhäusern sosehr anders, dass man sie nicht auch hätte regeln können? Wollte man wegen des durch die EU im Rahmen der Bauproduktenrichtlinie verkündeten „New Approach“ die Bauordnungen nicht von technischen Detailregelungen befreien und diese durch bundesweit gültige technische Normen ersetzen? Möglicherweise lohnt da ein Blick auf das kleine Österreich und die vergleichbare Maßnorm B 5371, deren Anwendungsbereich für alle Gebäude gilt, mit Ausnahme von Arbeitsschutzvorschriften und barrierefreien Bauten.
Offenbar haben auch neuere Erfahrungen oder Untersuchungen über Unfallursachen zur neuen und noch genaueren DIN geführt. Beispielsweise eine exakte Regelung, wie viel Stufen als gewendelte verzogen werden dürfen, oder detaillierte Bestimmungen über Handlaufanschlüsse. Nicht verständlich wirken angesichts dieser Sorgfalt die geradezu großzügig festgelegten Spielräume der Steigungs- Auftritts- und Laufbreitenmaße, ohne eine präzisere Zuordnung von Gebäudeklassen*. Die katastrophale Unfallhäufigkeit und Todesfälle auf Treppen und die überdurchschnittlich hohe Unfallquote von Älteren lassen darauf schließen, dass gerade diese Spielräume zu oft ausgereizt wurden, und hier Bedarf an einer Steuerung besteht, um weitere menschliche und volkswirtschaftliche Schäden zu vermindern.
- Kann es denn sein, dass in jeder Art von allgemeinen Gebäuden wie in einem sechsgeschossigen Mehrfamilien-Wohnbau eine Treppe mit zB 190/260 mm Steigungsverhältnis erlaubt wäre, oder erwartet man, dass - aufgrund des allgemeinen Sicherheitsgrundsatzes der Bauordnung - der Planer aus eigener Sachkenntnis eine bequemere Steigung wählt?
- Kann es sein, dass im großzügigen Foyer des gleichen Hauses eine zusätzliche (also baurechtlich nicht notwendige) Treppe mit 210/210 mm häufig benutzt wird, weil sie architektonisch bevorzugt platziert ist? (Die DIN definiert, eine nicht notwendige Treppe ist eine „ zusätzliche Treppe, die gegebenenfalls auch der Hauptnutzung dient“…)
- Kann es ferner sein, dass in einem Wohngebäude mit zwei Wohnungen, welches später als Seniorenwohnsitz dienen soll – eine in Zukunft häufigere Wohnsituation - eine Treppe mit 200/230 vorgesehen wird? (Dass die beiden zuletzt genannten Maße tatsächlich etwas bequemer ausfallen, nämlich entweder mit Unterschneidung oder mit einer entsprechenden Zugabe, ist von der DIN gut gemeint, aber nicht zielsicher. Denn für das viel unfallträchtigere Abwärtsgehen bietet die Unterschneidung keinen Nutzen.)
Im Hinblick auf eine Neubewertung der Sicherheitsrelevanz wichtiger Hauptmaße sind obige Fragen also als Aufforderung an Planer und Treppenbau-Schaffende zu verstehen, diese Teile der DIN verstärkt und kritisch zu beachten, und den normierten Spielraum der Grenzmaße nur in vertretbaren Fällen auszunützen. Ebenso aber auch eine Anregung, bei der weiteren Entwicklung der DIN genauso engagiert vorzugehen, wie dies bisher schon geschah. Bis zu einem Nachdenkprozess, welche gesellschaftliche Folgekosten durch sparsame Treppenmaße entstehen und ob man hier nicht ordnend eingreifen sollte, aus Fürsorge des Gesetzgebers für die Sicherheit der Bevölkerung.
* Der Brandschutz verwendet ein vorbildliches Klassifizierungs-System für die Sicherheit von Gebäuden in Abhängigkeit von ihrer Größe und Nutzung. Angesichts der hohen Unfallzahlen bei Treppen, auch im Vergleich zu Brandunfällen, wäre es nicht weniger wichtig, auch die Steigungs- und Auftrittmaße für Treppen im Interesse einer sicheren Nutzung noch ausführlicher festzulegen.
PS: Da die DIN zu empfehlenswerten Steigungsmaßen derzeit weder eine Regelung noch einen Vorschlag liefert, und auch die Landesbauordnungen nicht, sei auf die Tabelle „geeignete Treppenmaße“ im Abschnitt Treppenmaße hingewiesen.